Montag, 22. Dezember 2014

Kommentar: Herrschaftsreligion

Nach dem Kindermord von Peschawar, bei dem islamische Stammeskrieger der Taliban muslimische Schüler gnadenlos abgeschlachtet und viele für ihr Leben traumatisiert haben, müssen einem die ewigen Beschwörungen „Islam ist Friede“ im Halse steckenbleiben. Auch die reflexartig wiederkehrenden Entschuldigungsmechanismen, die für Verbrechen dieser Welt geradezu masochistisch uns selbst - dem Westen und Amerika - alle Schuld zuschreiben, erweisen sich als reiner Zynismus. Zur Nivellierung der Untaten fehlt dann nur noch der Vorwurf gegen das Christentum, dass es ja ebenfalls Gewalt hervorgebracht habe. Im Übrigen - so der letzte Entschuldigungsversuch - habe alles ja gar nichts mit Religion zu tun, sondern mit politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder ethnischen Verwerfungen.

Doch Religion hat immer, in allen kulturellen und sozialen Kontexten zum Kampf um Macht und zur Stabilisierung von Macht beitragen müssen. Das gilt für Tyrannen wie für demokratische Systeme, wo der Glaube - wenn auch säkularistisch minimiert - zur Wertebildung sowie für den „Ruck durch die Gesellschaft“ in Anspruch genommen wird. Staatskapläne, Staatspopen, Staatsimame, Staatsrabbiner oder - buddhistisch-tibetisch - ein Staats-Dalai Lama sorgen symbolisch für die Symbiose. In Indien hat sogar die radikale Hindu-Partei die entsprechende „staatstragende“ Grundierung mitübernommen. In Japan ist es der Ritual-Shintoismus. Wo die Religion ausgetrieben wird, soll dasselbe der Atheismus leisten.

Bisher hat es keine Religion geschafft, sich aus dem Provinzialismus der babylonischen Gefangenschaft des „Staates“ - ob stammesorientiert, lokal, regional oder national - zu lösen: mit Ausnahme des Christentums. Das bedeutet nicht, dass es da keinerlei atavistische Regression gäbe. Eine der schlimmsten war der Völkermord von Christen an Christen in Ruanda. Die Verbrechen der Weltkriege liegen noch nicht lange zurück. Heute sind es Firmen aus „christlichen“ Herrschaftsgebieten, die weltweit Waffen zum fortgesetzten Morden verbreiten und damit dickes Geld machen, mit Erlaubnis „christlicher“ Regierungen und Parlamente. Andererseits wurde einzig im Kontext des Christentums die Kraft aufgebracht, Wesen und Unwesen von Religion selbstkritisch zu betrachten und die Selbstimmunisierung zu mobilisieren. Jesus Christus war ein gewaltfreier, herrschaftskritischer Religionsstifter. Er war kein Kriegsherr und kein Kriegstreiber wie Mohammed. Der Geburtsfehler des Islam liegt in seiner Gründungsfigur, seinem „Propheten“. Das Christentum als von der Wurzel her selbstkritische und herrschaftskritische Religion ist - wie seine (Befreiungs-)Theologie beweist - geistig im Jahr 2014 angekommen, der Islam in breitesten Teilen nicht. Für Letzteres gibt es keine historische Entschuldigung mehr.

Quelle: Christ in der Gegenwart 51/2014 >>


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