Mittwoch, 31. Oktober 2012

Abschlussbotschaft der Konziliaren Versammlung: "Hoffen und Widerstehen!"

In der bis auf den letzten Platz gefüllten Frankfurter Paulskirche – Tagungsort der ersten deutschen Nationalversammlung und damit Symbol für Demokratie und bürgerschaftliches Engagement – ist am Donnerstagabend die „Konziliare Versammlung“ eröffnet worden (18.-21.10.). Hans Küng erhielt stehende Ovationen, als er seinen bereits vor Jahrzehnten formulierten Aufruf „Wider die Resignation“ erneuerte und zum gemeinsamen Engagement aller Reformgruppen ermutigte. Zuvor hatte Luigi Bettazzi, einer der letzten lebenden Konzilsbischöfe und damals Mitunterzeichner des „Katakombenpakts“ für eine Kirche der Armen deutlich gemacht, dass in der Folge des Konzils auch auf Bischofsebene ein anderes Kirchenverständnis möglich war, ja sogar für unverzichtbar erachtet wurde.
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> Abschlussbotschaft "Hoffen und Widerstehen!"


Hoffnung und Widerstand
50 Jahre ist der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils her, das in der katholischen Kirche so einiges in Bewegung gebracht hat. Aber 50 Jahre nach dem Konzil fragen auch viele, was aus den damaligen Aufbrüchen geworden ist.
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Dienstag, 30. Oktober 2012

Bischof Kräutler: Großpfarren sind keine Lösung

Dom Erwin Kräutler: Leidenschaftlicher Aufruf an „Laien“ und Priester bei einem Vortrag über das Zweite Vatikanische Konzil in Mäder/Vorarlberg.
„Seit Jahrzehnten beten wir für Priesternachwuchs – aber er kommt nicht und wird nicht kommen. Gott will von uns ein Umdenken!“ – Einen leidenschaftlichen Appell nicht in erster Linie an die Bischofskollegen, sondern an das ganze katholische „Volk Gottes“ in Österreich, das sich nicht von liebgewordenen Gewohnheiten trennen mag, richtete der gebürtige Vorarlberger Dom Erwin Kräutler, Diözesanbischof von Altamira (Brasilien), an seine Zuhörer am Dienstag, 23. 10. 2012, im Johann-Jakob-Ender-Saal von Mäder.
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„Die Liebe Gottes allen Menschen verkünden“
Bischof Erwin Kräutler thematisierte in Mäder das Zweite Vatikanische Konzil und gab auch einen Einblick in die Lage in Altamira. Bischof Erwin Kräutler thematisierte in Mäder das Zweite Vatikanische Konzil und gab auch einen Einblick in die Lage in Altamira.
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Montag, 29. Oktober 2012

Bischofssynode: Die Herrschaft des Kein

Im Anfang war das Wort, sagt die Bibel. 2000 Jahre später steht es schlecht um die kirchliche Sprache. Das zeigt auch die Bischofssynode, die noch bis Sonntag in Rom tagt. Warum fällt es so schwer, ein gutes Wort für den Glauben einzulegen?

 Keine Angst, das wird kein Text vom Typus: Was würde Jesus dazu sagen? Eher schon einer darüber, wie Jesus etwas sagt. Zum Beispiel, als er im Hause des Pharisäers Simon zu Gast ist. Man sitzt bei Tisch, als eine Frau den Raum betritt, eine „Sünderin“. Sie küsst den Wander- und Wunderprediger, seine Füße wäscht sie mit ihren Tränen. Die Sünderin schweigt, der Runde verschlägt es die Sprache.

Jesus ergreift als Erster das Wort und erzählt ein Gleichnis. Prostituierte versus Pharisäer, Barmherzigkeit versus Norm – fertig ist die ewig junge sozial-, gender- und pastoralpolitische Ausdeutung. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Original und der heutigen Art, kircheninterne Kontroversen zu führen: Dieser Jesus debattiert, ohne einen anderen zu blamieren. Er stellt die Sünderin nicht bloß, aber auch nicht die Pharisäer. Er lässt sich überraschen vom Glauben der einen und von der Erkenntnis der anderen. Er ist ein guter Gesprächsführer.

Womöglich bekäme die Sünderin heute das Angebot eines christlichen Verlages, ihre Autobiografie zu schreiben. Bekehrungsbekenntnisse vom Straßenstrich ins Schweigekloster, vom Neonazi zum Pfarrer verkaufen sich gut. Im Evangelium ist ausgerechnet diejenige Person die schweigsamste, bei der Jesus den tiefsten Glauben ausmacht. Kaum vorstellbar, dass sie die nächstbeste Menschenmenge mit einem spitzen Schrei wissen lässt: „Wow, dieser Jesus hat mich gerettet! Ich habe mich zum ersten Mal wieder selbst gespürt.“ Das Wort „authentisch“, mit dem heutige Menschenmengen zu jubeln pflegen, war ohnehin noch nicht erfunden.

Derzeit sucht in Rom die Weltbischofssynode nach dem Wow-Effekt. Eine Synode ist eine Art Weltjugendtag für fortgeschrittene Semester. Gut 260 Bischöfe sind dort, viele schwärmen davon, wie wunderbar es ist, die Weltkirche zu spüren. Wann sonst kommt man als deutscher Diözesenchef auf so kurzem Dienstweg mit Kollegen aus Hongkong, Pretoria und Bulawayo ins Gespräch? Gruppendynamisch könnte alles positiv sein, wäre da nicht der Arbeitsauftrag des Papstes: Mehr Glauben soll in die Welt kommen, wünscht sich Benedikt XVI.

Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, behauptet ein geflügeltes Jesus-Wort. Aber wo ist er, wenn 262 in seinem Namen versammelt sind?

Die Bischöfe wissen vor allem, wo er nicht ist. Was von der Synode nach draußen dringt, zeugt von der Herrschaft des Kein und des Nein. Glauben ist demnach: keine Beliebigkeit, kein Relativismus, kein Synkretismus, kein spirituelles Bastelprogramm, keine Frage von Strukturreformen und, der Kein-Klassiker schlechthin, kein Kniefall vor dem Zeitgeist. Der amerikanische Kardinal Donald William Wuerl deutet die Säkularisierung als „Tsunami“ fürs kirchliche Leben. Der Präsident des päpstlichen Familienrates beklagt, dass die Familie nicht mehr das ist, was sie einmal war; der Erzbischof von Posen missbilligt, dass immer mehr Eltern ihre Kinder zu wenig erziehen, Kurienkardinal Stanislaw Rylko kritisiert, dass neuen geistlichen Gemeinschaften zu wenig Wertschätzung zuteil werde. Der Limburger Franz-Peter Tebartz-van Elst vermisst Glaubenswissen und warnt vor kreativem Aktionismus in der Liturgie.

Im Anfang war das Ja, die Sünderin hat dieses Wort innerlich gesprochen. Im Jahr des Glaubens dominiert dagegen das Nein. Das behaupten mitnichten nur nörgelnde feministische Journalistinnen. Dies sagt auch Wiens Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn. In einem Radiointerview kritisierte er, dass die Teilnehmer der Synode zu selten über eigene Erfolge oder Misserfolge in der Glaubensverkündung gesprochen hätten.

Der Fernsehsender Arte zeigt gerade die französische Serie „Dein Wille geschehe“. Sie erzählt die fiktive Geschichte von fünf Priesteramtskandidaten am Kapuzinerseminar von Paris. Auf einem Glaubensbarometer lässt sich im Internet die Gottesbeziehung der jungen Männer verfolgen. Statt eines Balkens stellt ein Kreuz die Glaubensstärke dar, dessen Höhe variiert stark von Folge zu Folge. Diese Bildsprache mag albern wirken und ist doch treffend: Glauben hat etwas mit gemischten Gefühlen zu tun. Warum erzählen nicht auch Würdenträger, die dem Priesterseminar längst entwachsen sind, wie schwankend ihr Kreuzzeichen ausschlägt?

Weil sie fürchten, das ehrliche Bekenntnis könnte gegen sie verwendet werden? Die Synode in Rom flüchtet sich ins „man“, wo das Wort Credo die erste Person Singular gebietet.

Bischofs-Bashing ist bequem, aber ungerecht. Auch die Papiere der Laienverbände sind selten eine sprachliche Offenbarung. Dort herrschen zwar weniger die Keins und Abers, dafür regieren Passivkonstruktionen und Infinitiv-Halbsätze. Wer da dauernd im Heute, Morgen und Übermorgen aufbrechen, Brücken bauen, Impulse geben und Neues wagen soll, bleibt ungesagt. Dabei ist ein Satz ohne Subjekt wie eine Herrschaft ohne Volk.

Die Glaubensprofis schaffen es kaum, dem Gesprächsführer Jesus zu folgen. Sie hinterlassen, wenn sie diskutieren, Blamierte und Versehrte. Sie hinterlassen, wenn sie beten, wörtlich Betäubte. Heil, Auferstehung, Dreifaltigkeit, Dein Reich komme – all das sind Fremdwörter geworden, auch für die eigenen Leute. Ob gegen die Wortfindungsstörungen ein Kraut der Hildegard von Bingen gewachsen ist? Die Hinwendung von Kirchenmännern zu Mystikerinnen des Mittelalters sieht eher wie eine Flucht vor der Sprachlosigkeit der Gegenwart aus.

Es gibt einen Mann, noch dazu einen Kirchenmann, der ein gutes Wort im Jahr des Glaubens eingelegt hat: Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke. Er sagte: „Jesus rief nicht und ruft nicht zu moralischen Klimmzügen auf. Er appelliert mit dem Ruf zur Umkehr an den Menschen, seinen wahren und oft verschütteten Bedürfnissen Raum zu geben: dem Hunger nach Lebenssinn, dem Verlangen, geliebt zu werden, der Hoffnung des Menschen, Verzeihung zu finden, seiner Sehnsucht, im Tode nicht unterzugehen.“ Es klang so, als liebe die Kirche die stillen Sucher mindestens so sehr wie die schrillen Finder, die lauen Gemischtgefühlskatholiken wie die brennenden Bekenner. Kaum zu glauben: endlich ein Ja.

Aus: Christ & Welt Ausgabe 44/2012

Kathpress-Dossier zur Bischofssynode >> 

In diesem Zusammenhang ist der Kommentar zur Synode der Diözese Rom im Jahr 1960 interessant und aufschlussreich. Damals blieb Papst Johannes XXIII. von seiner Kurie ungehört, und heute bleibt das pilgernde Volk Gottes mit seinen Erneuerungssehnsüchten sich selbst überlassen!

ROM-SYNODE: Baskenmützen verboten

Seit der 78jährige Angelo Roncalli als Papst Johannes XXIII. und als Bischof von Rom auf dem Stuhle Petri sitzt, erfreut sich das Oberhaupt der katholischen Christenheit des Rufs, einer der fortschrittlichsten Kleriker seiner Zeit zu sein. In den letzten Januartagen aber wurde deutlich, daß sich das reformatorische Temperament des Papstes nur begrenzt durchzusetzen vermag gegenüber einer breiten konservativen Strömung im Katholizismus, die sich einer weitgehenden Modernisierung der Kirche entgegenstemmt.
DER SPIEGEL 7/1960 >>
 

Sonntag, 28. Oktober 2012

Blind sein

Blind sein heißt
keinen Horizont sehen
der sich weitet, öffnet, färbt
dunkel wird und wieder hell.

Blind sein heißt
keine Augenweide haben.
Wer blind ist
entbehrt die ganze Welt.

Es gibt Menschen
die haben Augen
mit denen sie alles sehen können
Sie sehen dennoch nicht
Denn unsere Augen
sind an unser Herz gebunden
Ist unser Herz stumpf
träge und verhärtet
fühlt unser Herz nur sich
ist es un-fühlsam
gegenüber anderen und
gegen sie verschlossen
dann sehen unsere Augen nichts
Unser Auge
zwar zum Sehen gemacht
ist finster und blind.

Bin ich blind
für die Not des andern
für seinen stummen Schmerz
für seine Einsamkeit
für seinen tiefsten Sehnsüchte
für seine Freude
für sein Glück?

Bin ich blind
für die Nöte in der Welt
für die Probleme in unserer Gesellschaft
für den Wandel unserer Kirche?

Allerdings
wenn ich für das alles blind bin
lebe ich leichter
es rührt mich nicht an
es beunruhigt mich nicht
ich fühle keinen Leidensdruck
ich brauche nichts zu tun.

Der Blinde saß am Wegrand
bettelte und schrie
Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner
und Jesus sagte
was willst du, dass ich dir tun soll?
Der Blinde sagte
Herr, dass ich sehe!

Theresia Haus, in: das thema 18/19 (1976).

Freitag, 26. Oktober 2012

Für mehr aufrechten Gang in der Kirche

Ungehorsam. In einer Festschrift für den Obmann der Pfarrerinitiative, Helmut Schüller, tritt der Bibelwissenschafter Walter Kirchschläger „gegen den gebeugten Rücken“ auf. Die SN bringen einen Auszug.

Walter Kirchschläger: Die Grundhaltung des gebeugten Rückens ist in den letzten Jahrzehnten zu einem zunehmenden Symptom in der katholischen Kirche geworden, das sich auf allen Ebenen ausgebreitet hat. Hand in Hand damit geht ein Autoritäts- und ein Gehorsamsverständnis, das mit dem Beispiel Jesu und mit dem biblischen Zeugnis nicht zu rechtfertigen ist, ja diesem oftmals konträr zuwiderläuft.

Ein Großteil der Bischöfe hat sich vor allem seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. zu Befehlsempfängern degradieren lassen – obwohl das II. Vatikanische Konzil die Autorität und Verantwortung der Bischöfe in ihren Diözesen ausdrücklich hervorgehoben hat. Diese Entwicklung geht parallel zur wachsenden Tendenz eines überbordenden Zentralismus, die unter dem gegenwärtigen Bischof von Rom noch verstärkt wurde.Gebeugte Rücken als Bazillus Der gebeugte Rücken als Grundhaltung katholischer Menschen setzt sich auf regionaler und lokaler Ebene fort – so, als wäre er ein ansteckender Bazillus. Die Seelsorgenden nehmen kritiklos auf, was von den Bischöfen kommt, die nicht geweihten Katholikinnen und Katholiken – gern völlig unpassend und unpräzise als „Laien“ bezeichnet – verhalten sich ebenso gegenüber jenen, die in der (Pfarr-)Seelsorge Verantwortung tragen. Subsidiär ausgeübte und zugelassene Verantwortung in gegenseitiger Solidarität scheinen zu unverständlichen Werten verkommen zu sein, obwohl sie Grundelemente neutestamentlichen Kirchenverständnisses sind.

Eine umso wichtigere und rühmliche Ausnahme bildet – neben den weitgehend von nicht geweihten Personen getragenen Reformbewegungen – die österrei- chische Pfarrerinitiative. Sie tritt öffentlich für eine andere Grundhaltung ein und engagiert sich konsequent dafür, dass der Rücken der Katholikinnen und Katholiken, ja der eigene Rücken als Seelsorgende wieder aufgerichtet wird – und so die Tugend des aufrechten Ganges und mit ihr mehr Ehrlichkeit, Transparenz und damit mehr Christuskonformität in der Kirche Platz greifen können.

Weiterlesen in den SN >> 

Diese Gedanken des bekannten Theologen Walter Kirchschläger passen sehr gut zum heutigen Nationalfeiertag. Es braucht in vielen Bereichen der Gesellschaft mehr aufrechten Gang, nicht nur in der Kirche - aber da wohl ganz besonders!

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Islamisches Opferfest

Vom 25. bis 28. 10. 2012 feiern die Muslime das "Opferfest". Es ist das höchste islamische Fest. Ich wünsche allen Mitbürger/innen muslimischen Glaubens ein gesegnetes und friedliches Fest.


Es ist für alle gläubigen Muslime weltweit Pflicht, zur Feier des Festes ein Tier zu opfern, wenn sie es sich denn finanziell leisten können. Das Fleisch des Tieres sollen sie auch unter den Armen und Hungrigen verteilen. Es ist ein guter Brauch, allen Freunden und Verwandten zum Opferfest die besten Wünsche zu versichern und auch ihnen etwas von dem Fleisch zu geben. Manchmal wird auch einfach geopfert, um Allah zu danken.

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Das Zweite Vatikanische Konzil hat über den Islam gesagt hat: 
"Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat". 
Aber das Konzil verweist auch auf den entscheidenden Unterschied zwischen Christen und Muslimen: 
"Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen".

Opferfest auf Enzyklopädie des Islam >>

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Stellungnahmen zum jüngsten Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe

Auch in leeren Tabernakeln ist Jesus gegenwärtig
Flugblatt von Gottfried Bachl

In ihrem Hirtenschreiben, das die Bischöfe der katholischen Kirche in Österreich eben erscheinen ließen, kommt auch das Thema Eucharistie und geweihte Priester zur Sprache. Das geschieht in einem Ton der Schmerzlichkeit und der Ratlosigkeit, dass man als Mitglied der Kirche, der sie vorstehen, verblüfft ist. Sollte es denn wahr sein, dass die amtlichen Leiter der Diözesen nicht imstande sind, aus ihrer eigenen theologischen Bildung, aus dem solidarischen Tausch ihrer Erfahrungen genug Kompetenz und Kraft zu schöpfen, um zur Lage der Glaubensgemeinschaft sachgerecht, zuversichtlich und verbindlich sprechen zu können? Ich will nicht den ganzen Text des Briefes besprechen, sondern nur jene Sätze in Betracht ziehen, in denen die Bischöfe von der eucharistischen Aushungerung der Gemeinden und vom wesentlichen Unterschied zwischen Wortgottesdienst und Eucharistiefeier sprechen.

Zuerst also zum dramatisch geladenen Klagewort vom eucharistischen Hungerzustand. Da heißt es: „Zeigt nicht gerade die unvergleichliche Bedeutung der Eucharistie dass es genügend geweihte Diener der Eucharistie geben muss, damit die Gemeinden nicht eucharistisch aushungern“ ? Das, wonach gehungert wird, ist offenbar nicht da, das nährende Brot fehlt.
Die Nahrung aber, die in der Eucharistie gegeben wird, ist Jesus, der Messias, der Sohn. Der Hunger, von dem hier gesprochen wird, wäre also die Entbehrung der realen Gegenwart Christi in der Gemeinde. Wenn das zutrifft, erleidet diese in der Tat den größten Fehl, der denkbar ist. Das ist offenbar der Fall, wie der Sprachgebrauch in der gegenwärtigen Diskussion zeigt. Bei vielen Wortmeldungen ist die Lautstärke in der quasi selbstverständlichen Annahme begründet, dass es außerhalb der Eucharistie keine wirkliche oder höchstens eine sehr eingeschränkte, keinesfalls vollständige Gegenwart Christi gibt. Da in der römisch katholischen Kirche das sakramentale Amt ausschließlich dem zölibatären Priester übertragen wird, muss sich ein Nachlassen oder der Ausfall in der genügenden Zahl des geweihten Personals negativ auf die sakramentale Versorgung der Gemeinden auswirken. In dieser Konjunktion artikuliert sich heute ein guter Teil dessen, was die Not der pastoralen Lage genannt wird.

Droht die jesuslose Zeit? Es ist schon ein starkes Stück, das die offiziellen Lehrer des Glaubens in ihrer Epistel liefern. Die Kirche feiert das Sakrament der Taufe, durch das die Menschen in das Pascha-Mysterium Christi eingefügt werden. „Mit Christus gestorben werden sie mit ihm begraben und mit ihm auferweckt… Durch die Taufe werden wir ja mit Christus gleichgestaltet.“ So spricht sie in ihren Bekenntnissen von allen Sakramenten, getragen von der Freude am Evangelium, erfüllt von der Gewissheit, dass die Gnade der Sakramente unteilbar in jedem heiligen Zeichen vollständig und wirksam da ist. Im Hirtenbrief lesen wir nun, dass trotzdem gehungert wird, nach dem Sakrament der Eucharistie, weil zu wenig befugte Spender zur Verfügung stehen. Es gibt zwar die anderen Sakramente, sie werden auch vollzogen, aber es ist als gäbe es sie nicht, Das Defizit in der Eucharistie kann durch die Summe der übrigen Gnaden nicht aufgewogen werden, lehren die Bischöfe. Der Jesus, den die nichteucharistischen Zeichen bringen, ist quasi niemand. Denn es könnte wohl von Hunger nicht die Rede sein, wenn man lebendig vor Augen hätte, wie vielfältig das christliche Sakrament geschieht. Wie kommt es zu dieser Engführung weg von der Vielfalt hin zur Einfalt des sakramentalen Lebens? In der Alarmstimmung, die in den pastoralen Kanzleien ausgebrochen ist, brennt offenbar manche Sicherung durch. Droht, wenn das Kirchenschiff weiterhin so talab geht, die jesuslose Zeit? Wird die Jungfrau Maria rechtzeitig in die Speichen greifen? Ich habe eine erkleckliche Zahl düsterer Prognosen zu Gehör bekommen. Meine Vermutung ist aber einfach: Die Aufregung kommt bei vielen aus derüberzeugung, dass Jesus nur in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist. Dass nur die Wandlungsworte des Priesters die reale Anwesenheit des Heilands bewirken. Im Hintergrund dieser Mentalität geschieht eine massive religiöse Wertung, die im Neuen Testament nicht zu finden ist.

Wer realisiert im lebendigen Glaubensgefühl, dass die Krankensalbung so wahr wie die Eucharistie der heilige Augenblick ist, in dem Jesus der Retter und Erlöser da ist? Die liturgischen Gebärden der Salbung sind gewiss nicht geringer einzuschätzen als die Kniebeugen und Verneigungen während der Messe.
Und eine andere bedenkliche Äußerung der Bischofkonferenz: „Die Grenze zwischen Eucharistiefeier und Wortgottesdienst darf nicht verwischt werden. Hier steht die Einheit der Kirche auf dem Spiel. Nichts kommt der Begegnung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn gleich, die uns in der Eucharistie geschenkt wird.“
Das Papier der Bischöfe enthält keine Erläuterung, was mit der genannten Grenze gemeint ist. Wenn ich den Text in seiner konkreten Fassung lese, muss ich zur Kenntnis nehmen, dass der behauptete Unterschied noch einmal im realen Maß der Gegenwart Christi besteht, das in seiner Fülle nur in der Eucharistie sicher gegeben ist. Der Wortgottesdienst, sagt man, ist nur ein Wort-Geschehen, die Eucharistie hingegen ist ein Ding-Geschehen, und dieses bringt mehr Wirklichkeit als jenes, im Wort geschieht also nur eine notdürftige, vorläufige Andacht, während im dinghaften Nahrungssakrament die greifbare Ganzheit erscheint. Aus diesem Grund darf hier keine Verwechslung und keine Verwischung passieren. Was geschieht in dieser Sprachregelung? Die exklusive Bestimmung eliminiert nicht nur alle weltlichen Zeichen und Symbole, nicht nur die Sakramentalien, sondern alle anderen Sakramente aus dem inneren Bereich der religiösen Bedeutung, Das Super-Sakrament übertrifft alles andere mit dem Gewicht des Wesentlichen. Auch hier ist der Zusammenhang mit dem Priesteramt nicht zu übersehen. Die hohe Würde der geweihten Person besteht oft genug und immer noch in der Wandlungsvollmacht. Wahrscheinlich ist eines der gröbsten Hindernisse im Gespräch der kirchlichen Gruppen die verschiedene Vorstellung von dem, was die Ursächlichkeit der Gnade genannt werden kann. Im Hirtenbrief hallt nach, was an verbogenen Vorstellungen immer wieder dem Sakrament geschadet hat.

Ich sehe nicht dass sich der Bischofsbrief auf dem Nieveau bewegt, das dem Evangelium des AT und NT entspricht. Es braucht für die Korrektur der Verkürzungen aber nichts erfunden zu werden, es genügt, einiges in Erinnerung zu rufen

erste Erinnerung
Das Evangelium des Johannes beginnt so: Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Dieses war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dieses geworden und ohne dieses ist nichts geworden von dem, was geworden ist. In ihm war das Leben und da Leben war das Licht der Menschen. (1,1-4). Höher kann das Wort nicht gesetzt werden, und es ist keine beiläufige Bemerkung, die Johannes macht: Er schreibt vom Wort-Ereignis, das die gesamte Wirklichkeit nach allen Seiten innen und außen bestimmt. Das Wort ist eine pfingstliche Größe.

zweite Erinnerung.
Als Ratzinger noch Präfekt der Glaubenskongregation war, schrieb er einen Brief an die katholischen Bischöfe in aller Welt. Es ging um die Frage, ob geschiedene wiederverheiratete Eheleute die Kommunion empfangen dürfen. Der Vatikan hat dazu nein gesagt, und Ratzingers Aufgabe war es, den Bischöfen und den betroffen Eheleuten den Sinn dieses Verbotes zu erläutern. Er sagte den bekümmerten und anklagenden Christen, die sich beraubt und allein gelassen fühlten, dieses: Wer sich in solcher Lage befindet, dem ist es verwehrt, die Kommunion zu empfangen. Das ist ohne Zweifel ein Verlust, und mit diesem Verlust soll ihm bedeutet werden, dass er sich mit seinem ehelichen Verhalten in gravierendem Abstand zur offiziellen Eheordnung der Kirche befindet. Mit dieser Maßregel ist aber nicht gemeint oder gar irgendwie angeordnet, dass die Verbindung mit Jesus aufgehoben, zerrissen oder irgendwie vermindert worden sei. Wer aus Gründen der kirchlichen Disziplin von der eucharistischen Kommunion ausgeschlossen ist muss keineswegs den gnadenhaften Kontakt mit Jesus verlieren.
Die vielen anderen Möglichkeiten können genützt werden. Also: die Einschränkung der Gegenwart Jesu auf die Eucharistie ist damit grundsätzlich verneint. Es ist möglich, mit Jesus zu leben, und sich zugleich im Abstand zur kirchlichen Gemeinschaft zu befinden. Das ist eine sehr deutliche Relativierung der kirchlichen Ordnungsform. Zu diesem Verkehr mit Jesus bedarf es keiner priesterlichen Vermittlung, man könnte von einer Oase der spirituellen Autonomie sprechen. Wer nützt sie?

dritte Erinnerung
Im Hintergrund der sakramentalen Frömmigkeit und mancher Theologie hat sich eine starke Faszination festgesetzt, die mit dem spontanen Wirklichkeitsgefühl verbunden ist. Wirklich wird demnach etwas durch eine bestimmte Art des Machens. Das Tun des Priesters an der Hostie und am Wein wird als herstellende Ursächlichkeit (causa efficiens) beschrieben. Er macht die Gegenwart Jesu Christi, indem er die Wandlungsworte spricht. Die Wirkung geschieht in der Form einer zwingenden Automatik. Das christliche Sakrament kommt aber weder durch eine physikalische Wirkung, noch durch einen Befehl zustande, sondern allein, weil Gott die Bitte um seine Gegenwart, um die Gegenwart des Christus und des Heiligen Geistes erhört.

vierte Erinnerung
Die Gegenwart Gottes ist keine klerikale Angelegenheit, denn die Priester sind nicht die handwerklichen Fachkräfte, die sie allein herstellen oder irgendetwas erzwingen können, sondern die bestellten Vor-Beter inmitten der Gemeinde. Wir haben es nicht mit Mechanismen zu tun, die auf Gott einwirken, um ihn näher herbeizubringen. Weder eine räumliche Bewegung noch eine psychologische Motivation ist nötig oder möglich, um seine Anwesenheit zu beschaffen. Gott ist von sich aus da.

fünfte Erinnerung
Alles, was von der Eucharistiegegenwart Jesu gesagt wird, muss auch von den anderen Sakramenten und sonstigen Gegenwartsformen gesagt werden: Christus ist wahrhaft, wirklich, substanzhaft, mit Leib und Blut, Seele und Gottheit da. Was sollte denn einem anderen Sakrament von diesen Vorzügen der Eucharistie fehlen? Der Unterschied in den Zeichen kann nicht hier liegen, sondern ist auf der Ebene der Struktur gegeben. Die Eucharistie ist das Tischsakrament, das die elementare Form des Nahrungsaktes aufnimmt, in sozialer und biologischer Hinsicht. Der Mehrwert, den die vollständige Euchariestiefeier bringt, besteht nicht in mehr Gegenwart Jesu, sondern im unverwechselbaren Zeichen der Mahlzeit, in der die Gemeinschaftlichkeit des Glaubens erscheint.

sechste Erinnerung
Die steigende Zahl und Beliebtheit der Wortgottesdienst könnte dem Bischof auch Freude machen. Was helfen uns die depressiven Raunzereien. Öffnet sich nicht heute ein neuer Horizont, ein Kairos, wie die Griechen den günstigen, gottgeschenkten Augenblick genannt haben? Der eigentümlich katholische Hunger nach dem Wort wird kuriert. Das Gebet, die Kontemplation, die Weisheit wird lebendiger, reicher, überraschender. Ihr Bischofsleute, gebt dem Sonntag was auch des Sonntags ist – den Wortgottesdienst. ceterum censeo: in selbsterzeugten Nöten verdient man lang allein gelassen zu werden.

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Pannonische Rundschau, Seite 23:

Dienstag, 23. Oktober 2012

Pfarrer-Initiative: „Ungehorsam aus Liebe zur Kirche“


Pfarrer-Initiative bemüht sich nun auch um Laien
Der "Aufruf zum Ungehorsam" bleibt. Schüller wurde bei der Generalversammlung in Linz als Sprecher bestätigt.
Die Pfarrer-Initiative bemüht sich nun auch um die Laien. Das ist ein Ergebnis der Generalversammlung am Sonntag in Linz, zu der rund 100 der fast schon 500 Mitglieder gekommen waren. Den "Aufruf zum Ungehorsam" will die Pfarrerinitiative weiterhin nicht zurücknehmen, dieser geschehe "aus Liebe zu den Menschen, aus Liebe zur Kirche", sagte Sprecher Helmut Schüller, der in dieser Rolle wiedergewählt wurde, in einer Pressekonferenz.
Die Presse >>

Pfarrer-Initiative: „Ungehorsam aus Liebe zur Kirche“
Keinen Grund, sich vom „Aufruf zum Ungehorsam“ zu distanzieren, sahen gestern die Mitglieder der reformorientierten Pfarrer-Initiative, die gestern nach Linz gekommen waren: Sie stellten sich hinter die Formulierung, gerade aus Liebe zur Kirche und den Menschen ungehorsam zu sein.
OÖ-Nachrichten >>

Pfarrer-Initiative fordert: „Grundrechte für Katholiken“
„Ungehorsame“ Priester wollen Pfarrgemeinderäte mit ins Boot holen und verlangen mehr Rechte für „Kirchenbürger“.
Kurier >>

Pfarrerinitiative: "Ungehorsam nicht aus Jux und Tollerei"
Die Pfarrerinitiative bleibt bei ihrer Generalversammlung auf Konfrontationskurs mit der Kirche
Der Standard >>

Presseerklärung der Generalversammlung der Pfarrer-Initiative vom 21. 10. 2012 >>

Montag, 22. Oktober 2012

Bischof Gmür für eine kirchliche Beauftragung von Laien in der Pastoral

Vor einigen Tagen habe ich über die sehr eigenartige Wortmeldung von Bischof Zsifkovics bei der Weltbischofssynode in Rom geschrieben.

Gott sei Dank gibt es auch andere Beiträge bei dieser Synode. Heute möchte ich die Wortmeldung vom Baseler Bischof Felix Gmür vorstellen. Der Vergleich der beiden Wortmeldungen zeigt den Unterschied. Das ist wie Tag und Nacht - sowohl in Sprache und vor allem im Inhalt.

Da zeigt sich einmal mehr wie recht Paul Zulehner hatte, als er im Juli 2010 zur Bestellung von Ägidius Zsifkovics zum Nachfolger von Bischof Paul Iby meinte: "Die Diözese hat jetzt 30 Jahre Winter. In der jetzigen Situation der österreichischen Kirche ist das eine vertane Chance. Man hätte auf Erneuerung setzen können und sollen."

"Ist die Kirche nicht glaubwürdig, sind die Anstrengungen vergeblich"

Rom-Zürich, 20.10.12 (Kipa) Die Bischöfe müssten mehr auf das hören, "was die Christen uns sagen", unterstrich der Basler Bischof Felix Gmür am 16. Oktober in seinem Redebeitrag an der Weltbischofssynode in Rom. Auch regte er an, die "evangelisierenden Laien" mit einem offiziellen Auftrag der Kirche zu versehen. Felix Gmür ist der Vertreter der Schweizer Bischofskonferenz an der Bischofssynode. - Die Presseagentur Kipa dokumentiert seinen italienischen Redebeitrag in einer Übersetzung mit Zwischentiteln der Redaktion.
Kipa.ch >>

Rede von Bischof Felix Gmür an der Bischofssynode in Rom

Der Bischof von Basel, Felix Gmür, sprach sich an der Bischofssynode in Rom für eine kirchliches Mandat aus für Laien, die Verantwortung in der Pastoral wahrnehmen.
„Um glaubwürdig zu sein, muss man zuerst sich selber evangelisieren. Der Aufruf zur Bekehrung ergeht an die Personen und an die Institution. Die Bekehrung der Person findet ihre Entsprechung in der Reform der Institutionen. Beide zielen auf die auf den Glauben gegründete geistliche Erneuerung ab.Viele Gläubige legen Zeugnis ab für ihren Glauben, zeigen anderen das menschliche und personale Antlitz Jesu. Wie können wir das Evangelisierungswerk dieser Laien herausstellen und ihre Kompetenz anerkennen? Nehmen wir ihre Erfahrungen, ihre Fragen und konkreten Vorschläge ernst – vor allem, was die zwischenmenschlichen Beziehungen angeht? Ich habe den Eindruck, dass wir den Laien mehr Gehör schenken, und das, was sie zu sagen haben, mit Wohlwollen beurteilen müssen.Eine Herausforderung liegt darin, zu verstehen, welche Reformen notwendig sind. Die Ortsgemeinden, die oft ohne Priester sind, versammeln sich um Laien, die bereit sind, verschiedene Verantwortungen zu übernehmen. Es wäre wichtig, darüber nachzudenken, ob es nicht ein kirchliches Mandat gibt, der ihnen – Männern und Frauen – eine Beauftragung gibt für der Pastoralarbeit, die sie auf der Grundlage ihrer Taufwürde ausüben.Mehr Gehör und ein offizielles Mandat für die Laien: das sind die beiden konkreten Zeichen, die uns als Kirche glaubwürdiger machen könnten.“
Die Rede von Bischof Felix Gmür wurde auf Italienisch gehalten. Hier finden Sie den integralen Text seiner Ansprache.
Schweizer Bischofskonferenz >>


Hier möchte ich noch eine Bemerkung anfügen: Uns wird immer vorgehalten, Reformen seien nicht möglich, denn da müsste die "Weltkirche" zustimmen. Sehen wir uns doch an, was für  gravierende Unterschiede es allein im deutsch sprechenden Bereich gibt: die oben erwähnte erfreuliche Wortmeldung von Bischof Gmür und im Gegensatz die von Bischof Zsifkovics.
  • In der Schweiz haben die Laien weitaus mehr Rechte der Mitbestimmung. 
  • In Deutschland versuchen zumindest einige Bischöfe auf die Forderungen der Laien positiv einzugehen.  
  • In Österreich stehen wir vor härtestem Beton, da Rom meinte, uns durch die Vorsetzung von Hardlinern gefügig machen zu können.  Weltkirche?

Ergänzung:


Synode: Osnabrücker Bischof fordert mehr Rechte für Laien
Franz-Josef Bode für mehr Möglichkeiten zur kirchlichen Beauftragung für Männer und Frauen
Vatikanstadt, 16.10.2012 (KAP) Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hat sich vor der Weltbischofssynode im Vatikan dafür ausgesprochen, Laien in der Kirche eine größere Verantwortung zu übertragen. Eine vitale Seelsorge erfordere heute das Zusammenspiel von "Getauften, Gefirmten, Beauftragten, Gesendeten und Geweihten", sagte Bode laut dem am Dienstag veröffentlichten Rede-Manuskript. Zudem sei eine Qualifizierung der ehrenamtlichen Katecheten und Katechetinnen notwendig. "Dazu wäre es wünschenswert, die Möglichkeiten zur kirchlichen Beauftragung von Verantwortlichen in Liturgie, Katechese und Diakonie für Männer und Frauen zu erweitern."
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Sonntag, 21. Oktober 2012

Der Ort der Gemeinde

Wo man andere liebt, ist der Ort der Gemeinde,
die sich nach Christus nennt.
Wie er soll sie teilen
ihr Leben und heilen
die Kranken und Krummen
die Blinden uns Stummen
sie soll sich erbarmen
der Schwachen und Armen
Wo die Liebe geschieht, hat das Elend ein Ende,
da wird die Erde neu.

Wo man Unrecht bekämpft, ist der Ort der Gemeinde,
die sich nach Christus nennt.
Wie er soll sie sprechen
für Recht und zerbrechen
die Herrschaft der Klassen
die Allmacht der Kassen
den Dünkel der Rassen
den Stumpfsinn der Massen
Wo Gerechtigkeit wird, hat das Elend ein Ende,
da wird die Erde neu.

Wo Versöhnung geschieht, ist der Ort der Gemeinde,
die sich nach Christus nennt.
Wie er soll sie künden
Vergebung der Sünden
inmitten von Waffen
soll Frieden sie schaffen
versöhnen die Feinde
als seine Gemeinde.
Wo der Friede entsteht hat das Elend ein Ende,
da wird die Erde neu.

Aus: Lothar Zenetti, Sieben Farben hat das Licht. Worte der Zuversicht. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz 2006.

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Wortmeldung von Bischof Zsifkovics bei der Weltbischofssynode

Am Dienstag, 16.01.2012 hatte Bischof Zsifkovics seinen Auftritt als Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz  bei der Weltbischofssynode in Rom zum Thema "Neuevangelisierung". Hier der volle Wortlaut seines Beitrages:

Wortmeldung Seiner Exzellenz Dr. Ägidius J. Zsifkovics >>

Für mich ist dieser Beitrag sehr eigenartig. 
  • Was hat der Bischof jetzt eigentlich konkret ausgesagt?
  • Was für eine Sprache ist die Sprache Goethes?
  • Was für eine eigenartige Sprache führt er: "Mit den besten Grüßen der Österreichischen Bischofskonferenz erklingt meine Stimme...."
  • Was meint er, wenn er sagt: "Wir alle leben in einer Welt, in der nicht mehr nur das Dasein des Einzelmenschen, sondern das der ganzen Menschheit fragwürdig geworden ist." ?
    Führen ich und du laut Bischof ein fragwürdiges Dasein? Sind wir nicht geliebte Kinder Gottes - ja Ebenbild Gottes? Was ist daran ein fragwürdiges Dasein?
Ehrlich gesagt: Für diese Wortmeldung hätte er nicht nach Rom fahren müssen - schade um die Reisespesen!


Ich empfehle Bischof Zsifkovics das äußerst interessante Tagebuch von Prof. Söding zu lesen, der als Experte an der Bischofssynode teilnimmt. Unter anderem schreibt er am 17.10.2012:


Wer redet mit bei der Synode über die Neuevangelisierung?

.........Aber stehen die Bischöfe wirklich im Dialog mit denen, die den Glauben im Alltag leben und ihn nicht immer so präsent haben können wie die Profis? Und sich auf den Sonntag freuen, aber nicht immer die Kraft aufbringen, zur Kirche zu gehen? Prägen ihre Lebenserfahrungen das Glaubenswissen der Kirche? Dass die Bischöfe als Verkünder und Lehrer gefragt sind, ist nicht nur Theorie, sondern Praxis. Aber sie müssen sich auch davon Rechenschaft ablegen, ob sie hinhören, verstehen und lernen – und dann so sprechen können, dass nicht die Interessen der Institution, sondern die Hoffnungen der Menschen im Mittelpunkt stehen, der gläubigen und der nicht (so) gläubigen.



Mittwoch, 17. Oktober 2012

Kleingläubigkeit

Was der Kirchenleitung heute fehlt, ist Mut.

Coraggio – Mut wünschte Papst Johannes XXIII. dem Benediktinerpater Maximilian Aichern vor rund 50 Jahren. Mut hatte der Papst selbst, als er das Zweite Vatikanische Konzil einberief. Und Mut wäre das, was die Leitung der römisch-katholischen Kirche heute bräuchte.
Denn das Hauptproblem der Kirche ist nicht, dass konservative Männer das Sagen haben: Auch Johannes XXIII. hatte konservative Seiten. Nur hatte er den Mut– besser: die Demut, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen und die Geschicke der Kirche in die Hände der Bischöfe zu legen.

Dass dieser Mut, auch anderen etwas zuzutrauen, der heutigen Kirchenleitung um Papst Benedikt XVI. fehlt, ist das größte Problem der römisch-katholischen Kirche: Bischöfe sind in dieser Sicht nur Befehlsempfänger, die Meinung der Gläubigen zählt nicht. Besonders christlich ist diese Mutlosigkeit aber nicht. „Du Kleingläubiger“, sagt Jesus zu Petrus, der ihm auf dem Wasser entgegenkommen will, aber aus lauter Angst zu versinken droht.


Kommentar von Heinz Niederleitner in den Oberösterreichischen Nachrichten

Dienstag, 16. Oktober 2012

Welches Menschenbild liegt der Neuevangelisierung zugrunde?

Tagebucheintrag von Prof.Söding vom 15.10.2012 zur derzeit laufenden Weltbischofssynode

Die zweite Arbeitswoche beginnt. Der ganze Tag ist wieder den bischöflichen Voten in der Aula gewidmet. Langsam kommen alle zu Wort. Hinter den Kulissen wird bereits an der Zusammenfassung und Bündelung der Stellungnahmen gearbeitet, damit der nächste Schritt getan werden kann: die Formulierung konkreter Vorschläge.
Ein Bischof zitiert frei den hl. Franziskus: „Einen Menschen zu evangelisieren, heißt, ihm zu zeigen, dass er von Gott geliebt ist.“ Und zwar nicht erst, wenn er zum Glauben gekommen ist oder ihn wieder entdeckt hat sondern unbedingt: weil er ein Mensch ist.
Wer die Menschen so sieht, betrachtet sie nicht als Objekte der Glaubensvermittlung, sondern als Partner in der Entdeckung des Glaubens. Davon sind allerdings viele Materialien und Vorstellungen zur Katechese und Neuevangelisierung weit entfernt. Ob die Synode insgesamt diesen Blick schärft? Es wäre eine Konsequenz der biblischen Anthropologie Jesu. Sie relativiert nicht die Bedeutung des eigenen Glaubens. Aber sie öffnet zwei Perspektiven: dass diejenigen, die eingeladen werden, in der Kirche heimisch zu werden, zwar, wie alle, umkehren müssen, aber wertvolle Gaben mitbringen, wie die „Heiligen drei Könige; und dass diejenigen, die einladen, sich selbst fragen müssen, ob sie die Kirche öffnen oder verschließen, wie Petrus, der einige Zeit brauchte, bis er es verstanden hat, dass der Heilige Geist dort schon war, wo er, der Apostel, erst hinkommen sollte.

Prof. Söding führt Tagebuch über die derzeit laufende Weltbischofssynode....kurz und interessant >>

Montag, 15. Oktober 2012

„Wir erleben derzeit einen Gärungsprozess“

In den vergangenen Monaten wurde vielfach über die Gründe für die derzeitige Krise des Katholizismus diskutiert. Sind die kirchlichen Strukturen oder eine mangelnde Lebendigkeit des Glaubens das entscheidende Problem? Und wie kann die Krise überwunden werden? Über diese Fragen sprachen wir mit dem Soziologen Franz-Xaver Kaufmann. Die Fragen stellte Stefan Orth.

HK: Herr Professor Kaufmann, innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland sorgt derzeit ein ganzes Bündel an Krisenphänomenen für Diskussionen. Was ist der Kern der gegenwärtigen Schwierigkeiten?

Kaufmann: Krisen sind in modernen Gesellschaften allgegenwärtig. Der Ausbruch aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit hat nicht zu einem Reich der Freiheit geführt, wie es die Aufklärung zuerst erwartet hat. Zwar wurden die Fesseln der Tradition gesprengt, so die Interpretation des Historikers Reinhart Koselleck, aber die Folge war ein fortgesetzter Wandel, ein Feld voller Spannungen, in dem sich die Menschen und ihre Gedanken behaupten müssen. Dieser Prozess hat in den vergangenen Jahren die katholische Kirche erreicht, viel stärker als zuvor. Recht lange hatte die Kirche durch ihre antimodernistische Selbstbehauptung seit dem 19. Jahrhundert, die in den Dogmen von 1870 kulminierte, die Katholiken und ihre sozialen Milieus vor diesen Einflüssen bewahren können.

HK: Was ist die Folge dieser bereits seit einiger Zeit andauernden Entwicklung?

Kaufmann: Die Phase, in der der Katholizismus von einer Sakralisierung seiner Organisation samt seiner Spitze zehrte, geht offenkundig zu Ende. Das ist der Kern dessen, um das es hier geht. Die Katholiken sehen inzwischen kritischer auch auf ihre eigene Kirche. Sie entdecken Vieles, was nicht nur einfach ungleichzeitig oder alternativ ist, sondern auch keine Überzeugungskraft mehr besitzt. Zum Beispiel der Umstand, dass die Kirche das Recht immer noch wie im 18. Jahrhundert ohne feste Regeln handhabt, dass Frauen nicht im gleichen Maße berücksichtigt werden wie Männer, oder dass die Entfremdung zwischen den Laien und dem Klerus größer wird - in einer Zeit, in der eher mehr Solidarität innerhalb der Kirche notwendig wäre. Und dann kam jetzt mit dem Missbrauchsskandal noch hinzu, was Erzbischof Robert Zollitsch die größte Krise der katholischen Kirche in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg genannt hat. Das Bekanntwerden des Missbrauchs hat deshalb so gravierend eingeschlagen, weil er dem Selbstverständnis der Kirche so hart ins Gesicht schlägt. Diese breite Vertrauenskrise wurde verstärkt, weil diese Dinge aus Kirchenräson so lange als möglich vertuscht worden sind. Alle anderen Krisenphänomene sind eher Probleme der gebildeteren Gläubigen.

HK: Manche sehen vor allem im Rückgang von Glaubenswissen und gelebter Religiosität den Wurzelgrund für alle anderen Krisenphänomene. Welche Rolle spielt die derzeit nicht weniger oft diagnostizierte Glaubenskrise für die gegenwärtige Situation der katholischen Kirche?

Kaufmann: Was man Glaubenskrise oder auch Gotteskrise nennt, ist gar nicht so eindeutig dingfest zu machen. Evident ist der Rückgang der Gottesdienstbeteiligung, der Rückgang des religiösen Wissens, die Verbannung der Religion an die Ränder unserer Kultur, vor allem der medialen Kultur. In der Moderne hat sich die gesellschaftliche Verfassung des Christentums grundlegend gewandelt, weil es sich in die hoch organisierten Kirchen einerseits und ein diffuses christlich imprägniertes Ethos in der Gesellschaft andererseits ausdifferenziert hat, die untereinander nur noch lose Beziehungen haben. Das ist eine völlig neue kulturelle Konstellation. Auch darauf hat sich die Kirche noch nicht richtig eingestellt. Aber dass der Gottesglaube unter Katholiken früher eine größere Rolle gespielt hat als heute, wie man gelegentlich behauptet, ist gar nicht so sicher.

„In der Periode des Antimodernismus gelang eine historisch vermutlich einmalige Synthese“

HK: Inwiefern haben Sie daran Zweifel?

Kaufmann: War das Gottesbild, wie es die Bibel zeichnet, jemals massenwirksam?, ist meine Gegenfrage. Diesen Glauben hatten wir innerhalb der Kirche höchstens in kleinen Kreisen erreicht, etwa in einzelnen Orden und anderen besonders religiös elitären Zirkeln. Mindestens bis in das 18. Jahrhundert hinein war die Magie ein ganz starkes Moment im gelebten Glauben von Christen. Vieles von dem, was seitdem unter der Theodizeefrage verhandelt wird, ist der Vorstellung von Gott als einer Art Superman geschuldet, der die Geschicke der Welt lenkt und dieses oder jenes bewirken kann und auch soll. Jesu Aufforderung, in seinem Namen zu bitten, ist aber so mit Sicherheit nicht gemeint gewesen. Natürlich ist es eine schöne Geste, wenn der Trainer der italienischen Fußball-Nationalmannschaft für einen Sieg eine Wallfahrt verspricht - und sie dann auch macht. Aber das jesuanische Glaubensverständnis wollte darüber hinausführen.

HK: Was heißt das aber nun für das Verhältnis der vielschichtigen Säkularisierungsprozesse und der Bedeutung des christlichen Glaubens?

Kaufmann: Kardinal Walter Kasper hat das Wort von der Glaubenskrise gegen die Strukturkrise in Position gebracht. Das war meines Erachtens nicht ganz glücklich. Johann Baptist Metz hatte zuvor schon länger von der Gotteskrise gesprochen, aber was eigentlich darunter zu verstehen sei, blieb unklar. Hans-Joachim Höhn spricht von einer Dispersion des Glaubens in den säkularen Bereich hinein, aber das hat es früher genauso gegeben. In der Periode des Antimodernismus gelang eine historisch vermutlich einmalige Synthese von Hochreligion und Volksreligion. Dabei blieb für den katholischen Volksteil weitgehend erhalten, was für das Mittelalter selbstverständlich war: die religiöse Durchdringung der Hoch- und der Alltagskultur. Heute dagegen werden große Teile unseres Alltags und der kulturellen Vorstellungen vom explizit Christlichen nicht mehr berührt. Man darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht vergessen, dass das Christentum dennoch in unserer Kultur weiter wirkt. Wenn man die europäischen Wohlfahrtsstaaten mit anderen entwickelten, etwa asiatischen Staatswesen vergleicht, so wird deutlich, dass es dort keinen Respekt und keine Sicherheit für die sozial Benachteiligten außerhalb der Familie gibt. Wir sind nicht so egoistisch wie viele andere Kulturen. Unser Ethos der Hilfe wirkt bis in die aktuelle Solidarisierung der Staaten für den Euro, auch wenn da natürlich andere Interessen dominieren.

HK: Umgekehrt vertreten Sie die These, dass damit gleichzeitig die Verkirchlichung des Christentums einherging. Aber selbst die Kirche scheint doch offenkundig immer größere Schwierigkeiten damit zu haben, den christlichen Glauben lebendig zu halten ….

Kaufmann: Tatsächlich hängt die Frage nach der Attraktivität der Kirche daran, ob man ihr zutraut, dass sie etwas mit dem Göttlichen zu tun hat. Gescheitert ist jedoch die Präsentation in einer sakralen Form, bei der sich die Kirche fast an die Stelle Gottes setzt. Seit dem Mittelalter beanspruchen Päpste den Titel eines Stellvertreter Christi, der über die Fürsten dieser Welt befinden kann. Der Titel Vicarius Christi kam ursprünglich allen Priestern zu, weil sie in persona Christi das Messopfer darbringen sollen. Nun warf sich aber der Papst zum Zuchtmeister der Christenheit und zum Legitimationsbeschaffer für die Fürsten und Könige seiner Zeit auf. Diese Tradition ist über das Erste Vatikanum hinaus bis ins kirchliche Gesetzbuch von 1983 hinein wirksam. Die Folge ist bis heute eine auf undiskutablem Befehl und bedingungslosem Gehorsam beruhende hierarchische Ordnung, in der zuoberst neben dem Stellvertreter Christi viele Stellvertreter des Stellvertreters Christi agieren, die zuvorderst im Vatikan sitzen.

HK: Wie müsste demgegenüber die Kirche heute beschaffen sein, wenn sie sowohl für die eigenen Gläubigen als auch andere anziehender werden wollte?

Kaufmann: Ich frage mich, ob die Kirche mit der Sakralisierung der eigenen Hierarchie nicht genau jene Lücke moderner Gesellschaften verdeckt, die Jürgen Habermas das durch die Aufklärung Unabgegoltene der Religion nennt, anstatt sie sichtbar zu machen. Unsere Kultur braucht - im Sinne der negativen Theologie - Diskurse und zeichenhafte Taten, welche verdeutlichen, dass die Sehnsucht der Menschen über Wirtschaftswachstum und längere Lebenserwartung hinausreicht. Denn es ist ziemlich naheliegend, dass in einer relativ saturierten Gesellschaft wie der unseren Gott viel weniger „gebraucht“ wird als in einer stärker von Nöten geprägten. Allerdings gibt es auch heute psychische und materielle Nöte, die stärker anzusprechen den Kirchen gut anstehen würde. Caritas und Diakonie wissen davon durchaus ein Lied zu singen.

„Die gegenwärtige Situation wird sich nicht mit einem großen Kraftakt verändern lassen“

HK: Was wären da für Wege denkbar, um dem grassierenden Schwund an Vertrauen in die Kirche effektvoll entgegenzuwirken?

Kaufmann: Grundsätzlich müssen alle Verantwortlichen in der Kirche sich im Sinne des Missionsauftrags um plausible Angebote für die Gläubigen und Distanzierten bemühen. Wenn am Sonntag weniger Gottesdienste nachgefragt werden, ist es ein Irrtum zu meinen, dass man nur noch weniger anbieten müsse, und vor allem auch keine Alternativen anzubieten brauche. So geht eine Firma pleite - wenn man einmal einen solchen Vergleich ziehen darf. Die Kirche muss sich darüber hinaus immer wieder auch mit ihrem inneren Zustand beschäftigen. Da sieht man nun den rapiden Rückgang der Priesterweihen, der weniger mit einem Glaubensschwund zu tun hat, als ob etwa die jüngeren Theologen weniger gläubig seien, sondern mit der geringen Attraktivität dieses Berufs. Der Beruf des Weltpriesters hat jedenfalls im Unterschied zum Herrn Pfarrer unserer Jugend kein anziehendes Profil mehr. Nicht zuletzt deshalb ist auch die Zölibatsverpflichtung für Weltpriester heute problematisch, denn woher sollen sie noch emotionale Unterstützung bekommen, wenn ihnen keine Verwandte mehr den Haushalt führt? Das Thema ist ernst zu nehmen, denn es gibt genügend Hinweise, dass bei vielen Priestern eine Motivationskrise herrscht; ob sie bis in den Episkopat hineinreicht, kann man nur vermuten. Das aber ist der Frohen Botschaft nicht förderlich.

HK: Welche Zukunft kann dann aber die Kirche in unseren Breiten überhaupt noch haben?

Kaufmann: Es steht nicht zu befürchten, dass sich das Volkskirchliche vollkommen auflöst. Man sollte deshalb auch die Milieus, soweit sie noch vorhanden sind, pflegen - und da sind die gegenwärtigen Gemeindereformen Gift. Möglicherweise werden wir eher auf ein Beteiligungsniveau der evangelischen Kirchen schrumpfen, aber die meisten Menschen gehen noch davon aus, dass man die Kirchen irgendwo schon braucht - bis eine Bewegung kommt, die das Kirchensteuersystem energisch in Frage stellt. Aber da könnte Hilfe von unerwarteter Seite kommen, weil die Muslime und andere Glaubensgemeinschaften diese Möglichkeiten der Finanzierung auch gerne hätten. Wir werden in jedem Fall ein pluriformes Religionssystem in Deutschland bekommen, in dem aber die katholische Kirche immer noch ein wichtiger Akteur und wahrscheinlich auch fähig zur Agendasetzung bleiben wird. Die Kirche ist eine so tief in der Weltgeschichte verankerte Größe, dass man sich um ihren Untergang auch bei uns keine Sorgen machen muss, wohl aber um ihren Einfluss- und Bedeutungsverlust.

HK: Was aber sind angesichts des von Ihnen diagnostizierten Vertrauensschwunds und der zunehmenden Entfremdung zwischen den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens die Handlungsoptionen für die Kirche, um ein solches Schrumpfen möglicherweise doch in Grenzen halten zu können oder gar den Trend umzukehren?

Kaufmann: Soziologen sind in erster Linie Diagnostiker und es ist nicht ihre Aufgabe, Empfehlungen für die Zukunft zu geben. Als Selbstbeschreibung der Praxisrelevanz der Soziologie besonders treffend finde ich weiterhin einen Satz von Karl Marx: „Man muss diesen versteinerten Verhältnissen ihre Melodie vorsingen, dann fangen sie an zu tanzen.“ Was ich als Soziologe immerhin auch sagen kann: Die gegenwärtige Situation wird sich nicht mit einem großen Kraftakt verändern lassen. Die Geschichte geht immer noch über unsere Köpfe hinweg. Das ist gerade die Desillusionierung des aufklärerischen Fortschrittsglaubens gewesen: Wir können gar nicht so furchtbar viel machen, schon gar nicht so schnell, wie das oft gewünscht wird. Der Dialogprozess oder wie immer man diesen Vorgang auch nennen will, ist da eine Illusion - zumal dieser gerade durch die Struktur der katholischen Kirche selbst beeinträchtigt wird.

„Es geht zentral um das Problem der Mitbestimmung“

HK: Das heißt, ein Dialog innerhalb eines betont hierarchisch strukturierten Gebildes ist eine Art hölzernes Eisen?

Kaufmann: Die Bischöfe können eigentlich gar nichts konzedieren. Und auf der anderen Seite sind sie offensichtlich nicht in der Lage, überzeugend darzulegen, dass das, was in der römischen Kirche Lehre und Praxis ist, auch für unsere Zeit das Richtige ist. Da ist dann schon sehr fragwürdig, was mit einem solchen Dialogprozess gelingen soll.

HK: Ist der Dialog- oder Gesprächsprozess, wie ihn die Bischöfe lieber nennen, damit von vorneherein zum Scheitern verurteilt?

Kaufmann: So weit würde ich nicht gehen. Er kann immerhin wechselseitiges Verständnis schaffen. Es wäre ja äußerst wichtig, dass Laien, Kleriker und die Bischöfe miteinander unvoreingenommen sprechen. Das war das Großartige der Würzburger Synode, die eben für jene Generation auch bei den Bischöfen ein vertieftes Verständnis der Probleme der Laien mit sich gebracht hat, das bei den jüngeren Bischöfen heute nicht mehr so sehr vorhanden ist. Insofern kann man dem Dialogprozess schon etwas abgewinnen. Aber er wird wahrscheinlich auch zur Einsicht führen, dass die meisten Petita, die beispielsweise das Memorandum der Theologen im vergangenen Jahr aufgelistet hat, beim gegenwärtigen Zustand des Kirchenrechts nicht genehmigt werden können.

HK: Konkret wird in diesem Zusammenhang von verschiedenen Seiten gefordert, dass es in der katholischen Kirche auf allen Ebenen mehr synodale Strukturen brauche. Wäre das ein geeigneter Ansatz zur Überwindung der gegenwärtigen Schwierigkeiten?

Kaufmann: In der Tat geht es zentral um das Problem der Mitbestimmung, die unterschiedliche Formen annehmen kann. Ich spreche bewusst nicht von „Demokratie“. Im Unterschied dazu ist das Wort „synodal“, das bereits aus der alten Kirche stammt, kein säkulares Wort und daher geeigneter. Ebenso wichtig ist die Subsidiarität in der Kirche. Beides sind jedoch Dinge, die vom gegenwärtigen Kirchenrecht weitgehend ausgeschlossen werden. Es muss jedoch erst dem Weltepiskopat klar werden, dass die einseitige Abhängigkeit, in die das Kirchenrecht die Bischöfe von der römischen Zentrale bringt, etwas ist, was mit unserem Ethos heute eigentlich nicht mehr vereinbar ist.

HK: Warum ist dieses Auseinanderdriften zwischen dem Ethos der Menschen heute und den Selbstverständlichkeiten innerhalb des Sozialkörpers Kirche so gravierend? Was sind die entscheidenden Divergenzen?

Kaufmann: Die Welt hat sich seit dem 18. Jahrhundert verändert. Wir haben andere Normen, gegen die auch die Kirche ansonsten nichts einzuwenden hat: Sie bejaht Religionsfreiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit. Aber in ihren eigenen Strukturen bleibt sie in einem absolutistischen Modell befangen, das zudem, jedenfalls im Vatikan, nicht wirklich regelgebunden und daher verlässlich ist. Dass es keine Rechtskultur in der katholischen Kirche gibt, ist da zunehmend ein Ärgernis. Man muss hier im Übrigen durchaus unterscheiden zwischen dem Jurisdiktionsprimat des Papstes, den ich nicht in Frage stelle, und einem Recht in der Kirche, dessen Handhabung nicht im Belieben der kurialen Behörden liegen sollte.

HK: Solange sich an diesen Punkten nichts ändert, braucht man also auch nicht über die so genannten heißen Eisen diskutieren ….

Kaufmann: Man darf zumindest keine Lösungen erwarten. Ob eine stärkere Beteiligung von Frauen oder die Frage der Ehelosigkeit der Weltpriester: All diese Dinge werden bisher zentral entschieden, haben aber völlig unterschiedliche Wirkungen in den verschiedenen Ortskirchen - je nach Mentalität der Leute.

HK: Gilt das auch für das spezifische Verhältnis der deutschen Katholiken zum Vatikan?

Kaufmann: Viele Probleme entstehen tatsächlich dadurch, dass Deutschland ein Land der Reformation ist, und deshalb auch die Katholiken von der hohen Bedeutung der Wahrhaftigkeit, der Konsistenz zwischen Sprechen und Handeln und von der Würde des Rechts besonders überzeugt sind. Das ist in den südlichen Ländern - wie man jetzt an der Finanzkrise und den Diskussionen über die Zukunft des Euro sieht - keineswegs so ausgeprägt. Das ist wohl auch im Vatikan so. Die Italianità hat immerhin den großen Vorteil, dass sie in keiner Weise fundamentalistisch ist. Leben und leben lassen: Diese Maxime hat für das Klima in der Kirche auch seine Vorteile. Die italienischen Katholiken zeichnet eine merkwürdige Mischung aus Anhänglichkeit und Zynismus gegenüber der Kirche aus. Sie sind gewissermaßen daran gewöhnt, dass diese nicht tut, was sie sagt. Der Vatikan reagiert deshalb auch viel schärfer, wenn kirchliche Regeln in Frage gestellt, als wenn sie massenhaft verletzt werden. Das ist für uns Deutsche ein Ärgernis.

„Die Spannungen sind noch zu latent und vor allem noch nicht genügend artikuliert“

HK: Welche Rolle spielt dabei die zuletzt sehr starre Interpretation des kirchlich geforderten Gehorsams?

Kaufmann: Das kommt als Schwierigkeit noch dazu. Das ist gewissermaßen der moralische Überbau über dem Recht. Da hat man ganz besonders das Gefühl, dass die entsprechende Rhetorik in Deutschland ernster genommen wird als in anderen Ländern. Auch hier gilt, dass Katholiken, die auch vom Protestantismus geprägt sind, das alles viel ernster nehmen. Das mag belastend wirken.

HK: Es ist sicher kein Zufall, dass Benedikt XVI. gerade angesichts der Spezifika der deutschen Ortskirche bei der jüngsten Reise in sein Heimatland in Freiburg mehr „Entweltlichung“ innerhalb der Kirche gefordert hat. Gibt es in diesem Begriff auch Potenzial zur Überwindung der Krise?.

Kaufmann: In einem Punkt ist dem Papst durchaus recht zu geben. Für die Kirche ist es wichtig, dass ihre aus dem Glauben abgeleiteten Prioritäten die erste Stelle einnehmen - und nicht diejenigen des Rechtes oder des Geldes als die beiden Dominanten in unserer Gesellschaft. Aber der Begriff „Entweltlichung“ ist ein unglücklicher Begriff für das, was damit gemeint ist, weil er eine Dichotomie von Kirche und Welt behauptet, die es so in der Realität gar nicht gibt - wie alle diese Dichotomien nicht weiterhelfen. Die Kirche ist eine wesentlich geschichtliche Größe: Nur im Rückblick kann man im Ineinander von Heils- und Profangeschichte heilsgeschichtliche Momente ausmachen.

HK: Zumal man dann auch fragen müsste, was Entweltlichung für die Kurie und den Vatikan heißt ….

Kaufmann: Dazu wäre tatsächlich einiges zu sagen, wenn man derzeit allein an die Vatikanbank denkt.

HK: Die Aufgabe der Bischöfe, für die Positionen des Lehramts zu werben, ist das Eine. Gibt es umgekehrt nicht auch eine Bringschuld der Bischöfe, die Anliegen und Sorgen ihrer Ortskirchen in Rom vorzutragen?

Kaufmann: Das klassische Beispiel ist hier die Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung, die ein ganz prominenter Knickpunkt in dem zuvor vertrauensvollen Verhältnis zwischen der deutschen Kirche und Rom geworden ist. Ich bin überzeugt, dass es nach wie vor Bischöfe gibt, die versuchen, in Rom mit Klugheit für bestimmte Dinge einzutreten. Aber viele Punkte sind auch rechtlich derart festgezurrt, dass es nicht damit getan ist, bei einzelnen Kardinälen oder gar beim Papst um Verständnis zu werben. Der heute viel gescholtene, aber durchaus bedeutende Paul VI. war im Grunde der einzige Papst, der diese Probleme angepackt hat.

HK: Inwiefern? Was waren seine entscheidenden Verdienste?

Kaufmann: Er hat eine Kurienreform umgesetzt und Vorarbeiten zum neuen kirchlichen Gesetzbuch durchgeführt. Als die Arbeiten dann unter Johannes Paul II. abgeschlossen worden sind, ist die vorgesehene Verwaltungsgerichtsbarkeit wieder herausgefallen. Bemerkenswert ist aber auch, wie er das Konzil in einer Weise zu Ende führte, die die Einheit der Kirche mit allen Spannungen und Widersprüchen bewahrt hat. Bei früheren Konzilien hat man sich manches Mal fast die Köpfe eingeschlagen, nach jedem bedeutenden Konzil hat es Abspaltungen gegeben. Von daher ist unsere Kirche heute nicht besonders gespalten. Da sind die Probleme mit den Piusbrüdern, denen man viel zu viel Bedeutung zumisst, minimal.

HK: Aber wie könnte denn überhaupt der jüngst auch von Ihnen beklagte römische Zentralismus überwunden werden? Wie sinnvoll sind vor diesem Hintergrund die Forderungen nach einem Dritten Vatikanischen Konzil, wenn man eher befürchten müsste, dass angesichts der Bischofsernennungen der vergangenen Jahrzehnte die Versammlung insgesamt einen stark strukturkonservativen Zug haben würde?.

Kaufmann: Dass die Kurie heute noch ein Konzil steuern könne, haben Kurienkardinäle vor dem Beginn des Zweiten Vatikanums auch geglaubt. Ich meine allerdings nicht, dass die Zeit schon reif ist für ein neues Konzil. Dafür sind die Spannungen noch zu latent und vor allem noch nicht genügend artikuliert. Nicht zuletzt in den oberen Etagen der Kirche müssten sich erst noch klarere Überzeugungen herauskristallisieren. Das kann noch einige Umwege mit sich bringen. Wir erleben derzeit einen Gärungsprozess. Die Kirche hat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einen großen Schritt in Richtung eines Dialogs mit der Moderne gemacht, aber ihn wenig konsequent fortgeführt. Der Schritt war bedeutend, aber eben auch an die Umstände jener Zeit gebunden. Die nachkonziliare Entwicklung wurde, nicht nur was die Kirchenstrukturen angeht, weitgehend von der Kurie gesteuert und der Geist der Verständigung zurückgedreht. Diese Spannungen müssen wir als Christen ertragen und sollten uns nicht allzu sehr darüber grämen, sie sind immerhin ein Zeichen von Vitalität der Kirche.

„Reformen aus biblischem Geiste sind nie von Rom ausgegangen“

HK: In Ihrem Kommentar zur Entweltlichungs-Forderung von Benedikt XVI. hatten Sie gefordert, der Vatikan müsse sich bei seinem zentralen Kontrollanspruch „auf weltkirchlich und biblisch Unabdingbares“ beschränken? Was wären demnach originäre Aufgaben für den Vatikan?

Kaufmann: Rom muss beispielsweise das Bestätigungsrecht für alle Bischöfe behalten, aber das Wahlverfahren wäre in weit stärkerem Maße zu dezentralisieren. Sowohl den Diözesen, aber auch den Bischofskonferenzen könnten hier mehr Kompetenzen eingeräumt werden. Auch gibt es ja durchaus Situationen in der Welt, wo die Kirche von politischen Einflüssen negativer Art betroffen ist, wo man sehr froh sein muss, dass es eine zentrale Instanz gibt - und wo man sich manches Mal auch wünschte, dass sich diese noch deutlicher bei Menschenrechtsverletzungen zu Wort meldet.

HK: Kardinal Walter Kasper hat auf dem Mannheimer Katholikentag davon gesprochen, dass die Zukunft der Kirche von „wachen Minderheiten“ abhängen würde. Wie müsste diese religiöse Avantgarde genauerhin aussehen?

Kaufmann: Gegen religiöse Bewegungen, wie sie die Orden gewesen sind und wie sie jetzt auch in verschiedenen moderneren Formen existieren, ist nichts zu sagen, auch wenn sie eher konservativ sind - wenn sie ihren Überzeugungen entsprechende Lebensformen praktizieren. Eine stärkere Liberalisierung wird nicht allein das Heilmittel für die Kirche der Zukunft sein. Allerdings gibt es ethische Ansprüche, die aus der Tradition des Liberalismus stammen, die meines Erachtens auch in der Kirche zur Geltung gebracht werden sollten. Aber sie beziehen sich weniger auf den Glauben.

HK: Was heißt das für die Zukunft des Glaubens?

Kaufmann: Der uns von Jesus Christus überlieferte Glaube kann bestenfalls als ein Ferment, als ein Katalysator wirken. Das kann auch in der Zukunft der Fall sein. Reformen aus biblischem Geiste sind nie von Rom ausgegangen. Selbst dem Tridentinischen Konzil gingen Ordensgründungen voraus. Damals war allen klar, dass es so nicht mehr weitergehen könne. Ähnlich war das Bewusstsein in der Spätzeit von Pius XII., wo man das Gefühl hatte, dass die Kirche erstarrt sei und der Antimodernismus einfach nicht mehr trage. Man denke etwa an Hans Urs von Balthasars Essay „Schleifung der Bastionen“. Ein solcher Problemdruck herrscht heute weltkirchlich aber noch lange nicht.

Zu Franz-Xaver Kaufmann: Er ist 1932 geboren, lehrte bis zu seiner Emeritierung Sozialpolitik und Soziologie an der Universität Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte: Sozialstaatstheorie, Soziologie der Familie und Familienpolitik, Religionssoziologie. Zu den neueren Veröffentlichungen zum Thema gehören: Kirchenkrise. Wie überlebt das Christentum?, Freiburg 2011; Kirche in der ambivalenten Moderne, Freiburg 2012.

Quelle: HerderKorrespondenz vom September 2012

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