Dienstag, 14. September 2010

Antwortschreiben von Bischof Zsifkovics

Eisenstadt, am 14. September 2010
Sehr geehrter Herr Mag. Posch!

„Mit großem Erstaunen, Befremden und Unverständnis habe ich“ einen Brief von Ihnen erhalten – der Anrede nach zumindest entnehme ich, dass er an mich gerichtet sein dürfte – der mehrere Empfänger trägt. Da dieses Schreiben jedoch Fehlinformation, Fehleinschätzung und Unwissenheit beinhaltet, fühle ich mich um der Wahrheit willen verpflichtet, einiges in diesem Schreiben klar- bzw. richtigzustellen. Daher ergeht dieses Schreiben nicht nur an Sie, sondern auf elektronischem Postweg an alle von Ihnen gewählten Empfänger, auch wenn es mir lieber gewesen wäre, unseren Dialog mit weniger Öffentlichkeit zu führen. Wie Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit entgangen sein dürfte, bin ich noch nicht amtierender Bischof von Eisenstadt. Die Leitung der Diözese hat bis zum Tag meiner Weihe Bischof Dr. Paul Iby als Apostolischer Administrator inne.

Mit der Annahme des Rücktrittsgesuches von Bischof Dr. Paul Iby durch den Heiligen Vater ist der Bischofssitz in der Diözese Eisenstadt vakant. Mit Eintreten der Sedisvakanz hören u. a. auch die Beratungsgremien des Bischofs, wie der Priesterrat (vgl. can. 501 § 2) und der Pastoralrat (can. 513 § 2) auf zu bestehen. Diese müssen nach dem Amtsantritt des neuen Bischofs gemäß ihren Satzungen neu gewählt werden. Eine Neuwahl dieser Gremien ist alleine schon aus technischen Gründen in dieser kurzen Zeit nicht möglich. Es handelt sich also keineswegs um einen Vorwand, sondern um eine, der Struktur dieses Beratungsgremiums innewohnende Notwendigkeit.

Der Diözesantag ist bei allem menschlichen Fleiß von mir in dieser kurzen Zeit nicht leistbar. Daher habe ich beschlossen, dass die diesjährige Feier unseres Diözesanpatrons gerade im Jubiläumsjahr unserer Diözese einen inhaltlichen Schwerpunkt darstellen sollte. Als ehemaliger Pfarrer von Wulkaprodersdorf weiß ich natürlich um diesen Diözesantag. Als Bischof von Eisenstadt ist mir die Diskussion von oder die Entscheidung über pastorale Schwerpunkte zu diesem Zeitpunkt verfrüht, da ich nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit all diese Vorbereitungen durcharbeiten könnte. Pastorale Schwerpunktsetzungen mit der notwendigen Nachhaltigkeit bedürfen von meiner Seite her noch einer vertieften Reflexion, mit der ich innerhalb dieser wenigen Wochen nicht dienen kann. Gerne will ich Ihnen aber versichern, dass ich mich sobald als möglich dem Studium dieser annehmen werde.

Das Treffen der RatsvikarInnen ist aus denselben Gründen auf unbestimmte Zeit verschoben. Eine Infragestellung des Fleißes, des Engagements und der Bedeutung von Laien aus diesen Entscheidungen herauszulesen, ist ungerechtfertigt, unbegründet und unseriös! Meine Entscheidungen sind weder begründet in, noch zielen sie auf eine Minderung der Wertigkeit der Mitarbeit vieler ehrenamtlicher Frauen und Männer. Im Gegenteil: Gerade eine wahrhaftige Wertschätzung verlangt von mir als Bischof, dass ich mich inhaltlich damit auseinandersetze, Aufmerksamkeit und Zeit darin investiere. Wenn nun schon die RatsvikarInnen unserer Diözese so viel Zeit dafür verwendet haben, wäre es m. E. die größere Missachtung gewesen, mich nicht ausführlich damit auseinanderzusetzen. Ich darf sehr bitten, mir zuzugestehen, dass ich meine Hirtensorge als Bischof ernsthaft, gewissenhaft und fundiert wahrnehmen möchte und mir eine solche Haltung nicht zum Vorwurf zu machen. Bezüglich der Absage des Seelsorgertages im September und die Verschiebung des ökumenischen Pfarrertages gelten dieselben Beweggründe. Vor allem aber stehen wir jetzt in einer Zeit der persönlichen Vorbereitung auf die Bischofsweihe meinerseits und von vielen Menschen in unseren Pfarren. Es ist eine Zeit des Gebetes und des Beschreitens eines geistlichen Weges. Darum bitte ich inständig!

Ein Wort zur Theologie und den theologischen Ausdrücken, wie Sie diese in Ihrem Schreiben verwenden. Grundsätzlich möchte ich anmerken, dass ich eine polarisierende, trennende und eine unserem Glauben nicht entsprechende Redeweise von der Kirche als nicht dienlich empfinde und daher – zumindest für mich – ablehne. Ich darf Ihnen ein Zitat aus dem evangelischen deutschen Pfarrerblatt aus dem Jahr 2009 bringen und hoffe, dass somit auch Sie sich dieser Thematik unvoreingenommen inhaltlich nähern können. Darin heißt es: „Wie unklar die Rede vom allgemeinen Priestertum ist, zeigt sich vielfach in unserem kirchlichen Sprachgebrauch. (…) Dass in der Kirche oft allgemeines Ehrenamt mit allgemeinem Priestertum gleichgesetzt wird, zeigt, dass das Spezifische von Priestertum nicht begriffen ist.

Oft wird allgemeines Priestertum auch mit Demokratie verwechselt. Doch dass jeder wählen oder mitreden kann, hat mit Priestertum zunächst ebenso wenig zu tun, sondern ist eine Weise gesellschaftlichen Umgangs miteinander. (…) So kann es allgemeines Priestertum gewiss auch in hierarchischen Strukturen geben, wie es z. B. die katholische Kirche im II. Vaticanum als »gemeinsames Priestertum« aller Getauften formuliert hat. (…) [Es ist] hilfreich, zunächst eine hermeneutische Grundentscheidung zu treffen, nämlich zu unterscheiden zwischen Priestertum und Priesteramt. Zum Priestertum sind nach übereinstimmender biblischer und kirchlicher Sicht alle Gläubigen berufen, zu einem Amt, welches auch immer es sei, aber nur der je Einzelne (…). Auch die Kirche ist nicht um ihrer selbst willen erwählt, sondern um ihres priesterlichen Dienstes willen für die Welt. Priesterlicher Dienst ist immer ein »Dazwischentreten« und zwar in dreifacher Hinsicht: 1. zwischen Gott und Menschen, von Gott her den Menschen zugewandt, in seiner Vollmacht, mit seinem tröstenden oder mahnenden Wort, Heil und Heilung schenkend in der Kraft des Heiligen Geistes; 2. Zwischen Menschen und Gott, von den Menschen her zu Gott hingewandt mit ihrem Dank oder ihrer Klage, mit ihrem Elend und mit ihrer Schuld und es ist 3. ein Dazwischentreten zwischen Menschen und den Mächten der Zerstörung, ein Kampf im Namen Christi gegen Stürme, Hunger und Dämonen und für die von Gott geschenkte Würde des Menschen.“ Soweit die evangelischen Pfarrer.

Den von Ihnen – inhaltlich – zitierten Passus aus dem II. Vatikanischen Konzil in Lumen Gentium, Art. 10 darf ich hier vollständig wiedergeben: „Christus der Herr, als Hoherpriester aus den Menschen genommen (vgl. Hebr 5,1-5), hat das neue Volk »zum Königreich und zu Priestern für Gott und seinen Vater gemacht« (vgl. Offb 1,6; 5,9-10). Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht, damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat (vgl. 1 Petr 2,4-10). So sollen alle Jünger Christi ausharren im Gebet und gemeinsam Gott loben (vgl. Apg 2,42-47) und sich als lebendige, heilige, Gott wohlgefällige Opfergabe darbringen (vgl. Röm 12,1); überall auf Erden sollen sie für Christus Zeugnis geben und allen, die es fordern, Rechenschaft ablegen von der
Hoffnung auf das ewige Leben, die in ihnen ist (vgl. 1 Petr 3,15).

Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach. Dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil. Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“ Natürlich wäre es am besten, das gesamte - so wichtige und zentrale – Dokument kirchlicher Lehre zu lesen, aber ich möchte hier nur auf die anschließenden Artikel 11-13 inweisen, worin die Teilhabe am priesterlichen und prophetischen Amt Jesu Christi genau dargelegt wird.

Diese Artikel darf ich Ihrer besonders aufmerksamen Lektüre anvertrauen. Die von Ihnen genannte „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ ist ein gesellschaftspolitischer Terminus, der im Kommunismus mehr beheimatet sein sollte, als in der Kirche und daher gehört er nicht zu der von mir gewählten Sprache. Aber auf Ihre Sorge, dass im Dom bei der Bischofsweihe Plätze für Kleriker vorgesehen sind, kann ich antworten, dass es sich erstens aus der Feier der Liturgie ergibt, dass Priester und Diakone bei dieser Feier zugegen sind.

Zweitens sind mehr als zwei Drittel der Gottesdienstteilnehmer im Dom „Laien“. Dass ich eine Familie habe – mein Vater ist leider schon verstorben – in der ich mich geborgen fühle und die mir wichtig ist und ich mir daher wünsche, dass diese an dem für mich wichtigen Tag zugegen ist, kann mir wohl nicht zum Vorwurf gemacht werden. RepräsentantInnen der Katholischen Aktion, alle (!) RatsvikarInnen unserer burgenländischen Pfarren (somit auch Sie) haben – auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin – Ihren Platz im Dom. Allesamt, Ehrengäste, Verwandte, Freunde, VertreterInnen der Pfarren und des Bischöflichen Ordinariates sind Laien, und repräsentieren gemeinsam mit den Bischöfen, Priestern und Diakonen bei dieser Feier das Volk Gottes in seiner Vielfalt.

Dass nur der „Klerus der Diözese“ zum Essen eingeladen sei, ist eine glatte Fehlinformation und entspricht nicht der Wahrheit. Sehr geehrter Herr Mag. Posch! Mein Schreiben ist nun etwas länger geworden als erwartet und dennoch kann es nicht bis ins Detail mein Denken wiedergeben. Der von Ihnen geforderte Dialog wird leider gerade von Ihnen nicht gepflegt! Es ist mir nicht nachvollziehbar, warum Sie mir einen Brief schreiben und es 30 Empfänger gibt? Es ist mir nicht nachvollziehbar, warum Sie einen Dialog fordern, selbst jedoch den Weg der – medialen – Öffentlichkeit wählen? Es ist mir nicht nachvollziehbar, warum Sie Dinge öffentlich verbreiten – wider
besseren Wissens – oder warum Sie nicht zuvor die notwendigen Informationen einholen. Ihre gesuchte öffentliche Konfrontation mit mir wird es nicht geben. Denn mir ist die Haltung aus der Heiligen Schrift die lebenswertere: dass, wenn es etwas zu besprechen gibt, man zuerst das persönliche Gespräch suchen und nicht eine breite Diskussion entfachen sollte (vgl. Mt 18,15).

Ich danke für Ihre Liebe zur Kirche und Ihre Verbundenheit mit dieser, selbst wenn dies immer wieder auch bedeuten kann, ein Stück weit an und mit dieser Kirche zu leiden.

Mit der Bitte um Ihr Gebet, verbleibe ich
+ Ägidius J. Zsifkovics
Ernannter Bischof von Eisenstadt

Der Brief von Bischof Zsifkovics als pdf


Pressestimmen:

ORF Burgenland, 14.10.2010
Bischof Zsifkovics antwortet auf Laien-Kritik
Die Absage des Diözesantages Ende Oktober durch den neuen Bischof Ägidius Zsifkovics sorgt weiter für Aufregung. Nachdem sich ein Mitglied des Pastoralrates an die Medien gewandt hat, gibt es nun ein Antwortschreiben vom neuen Bischof.

Kathpress, 14.10.2010
Zsifkovics: Keine Absage an den Weg des Dialogs
Künftiger Eisenstädter Bischof weist Kritik an Verschiebung von einigen Diözesanveranstaltungen zurück

Krone.at, 14.09.2010
Diözesantag-Absage
Bischof Zsifkovics weist Kritik an Vorgehen zurück

Kurier, 15.09.2010
Bischof Zsifkovics weist Kritik zurück
Vor der Weihe des neuen Diözesanbischofs gab es Kritik von der Basis. Der künftige Oberhirte antwortet brieflich.

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